OH JE 2.0

Zur Richtigstellung:
OH JE ist kein Schreibfehler von JO EH, sondern OH JE wird liebevoll unser Dinghy genannt!

OH JE 1.0 – also das erste Beiboot, ein klassisches Schlauchboot – hat nun die ersten beiden Jahre gut gedient.
Jedoch war ich immer über die eigentliche Größe ein wenig unglücklich.
3,20 m Länge sind zwar zum Fahren angenehm und mit dem 8 PS Johnsen Außenborder in der Gleitfahrt auch ganz lustig, aber für unsere JO EH mit ihren 34 Füßen doch eine Nuance zu groß bzw. zu breit.
So war OH JE 1.0 beim Segeln bzw. beim Anker setzen im Bugbereich immer im Weg.

Auf der Suche nach einem idealen Dinghy stolperte ich immer wieder über diverse Eigenbauten und anscheinend verfüge ich über zuviel Tagesfreizeit, denn es entstand sehr schnell die Idee, ein Dinghy nach eigenen Vorstellungen am elektronischen Reißbrett zu entwerfen.

Nun einige Randbedingungen und Ideen, die dieser Konstruktion zugrunde liegen:

Bei der Lagerung am Vorschiff soll genügend Platz zwischen Reling und Dinghy bleiben, um gut daran vorbei gehen zu können.
Der Rettungsinselcontainer vor dem Mast soll im Bootsinneren Platz finden.
Die Luke der Vorschiffkabine soll sich unter dem Dinghy öffnen – und wenn möglich – auch etwas Licht ins Schiffsinnere lassen. Für diesen Zweck ist angedacht, einen Teil des OH JE-Bodens aus Polycarbonat zu fertigen.
Anmerkung für die Nicht-Konstrukteure unter uns: ein Teil des Bodens ist aus durchsichtigem Kunststoff – also ein Beiboot mit Glasboden … *gggg*
Die maximale Länge wird durch die Pütting des Babystags hinter dem Ankerkasten beschränkt.
Das Gewicht soll natürlich so gering wie möglich gehalten werden.
Das Design soll zur JO EH passen, daher ein Mix aus äußerlicher Tradition und modernem Innenleben.
Damit kommen wir zum Antrieb.
Ich möchte gerne insgesamt drei Antriebsarten integrieren: das Boot soll gut zum Rudern sein, der motorische Antrieb zeitgemäss elektrisch und ein kleiner Mast mit Segel das Gesamtkonzept abrunden.

Soweit, so gut.
Fangen wir mit der Beschaffung der Teile, die in der OH JE 2.0 intergriert werden, an.
Zuerst der elektrische Antrieb, wobei ich bei www.elektromoped.at fündig werde und einen 36V Lithium Akku mit 20Ah Kapazität, einen Motor mit 800W Dauerleistung, Pol-Wender für die Drehrichtungsumkehr, Schiffsschraube und einen stufenlosen Geschwindigkeitsregler, beziehe.
Die Wellenanlage entsteht in Eigenkonstruktion: motorseitig eine Kupplung, die über zwei in Gummi gelagerte Stifte mitgenommen wird, eine Art Stopfbuchse mit abgedichtetem Kugellager und Schmiernippel, um zum Stevenrohr hin abzudichten und schraubenseitig ein Drucklager aus POM und Schraubenmitnahme über einen Scherstift.

Als Baustoff entscheide ich mich für 8 mm 5-fach wasserfest verleimtes Okumée-Sperrholz, wobei 5 Platten á 2500 x 1200 mm ausreichend sein sollten. Eine halbe Platte lasse ich in 40 mm Streifen schneiden, da die Konstruktion immer wieder diese Leisten benötigt.

Die Spiele ähm Arbeit möge beginnen.
Um die ersten Leisten miteinander in Form zu verleimen, werden auf einer Siebdruckplatte – in der Höhe jedes Spantes – kleine Winkel montiert.
Von innen nach außen zuerst zwei Leisten mit 8 x 40 mm, danach schon Heckspiegel und Seitenwände und außen wieder zwei derselben Leisten.
So entsteht der Handlauf mit 40 x 40 mm Querschnitt.
Zur Kontrolle habe ich die bereits ausgesägten Spanten auf ihre zukünftige Positionen gestellt und einstweilen bin ich sehr zufrieden, denn es scheint alles sehr gut zusammenzupassen.

Am dritten Arbeitstag wurde der Handlauf und das zentrale Element mit Sitzbank und Schwertkasten bereits zusammengebaut. Es hat sich durchaus bewährt, alle Stellen, die verleimt werden, temoporär mit dünnen Schrauben zu verbinden und nach Trocknung des Leims und des Epoxy wieder zu entfernen.
Da die Temperaturen während dieser Arbeiten nur zwischen 5 und 10° Celsius liegen, härtet das Epoxy nur sehr langsam aus. Also muß ich mit Föhn und Heißluftgebläse punktuell etwas nachhelfen.


Da ich mir einen Wellenantrieb einbilde, aber die Schraube nicht exponiert aus dem Rumpf ragen soll, versetze ich die Schraube etwa um den halben Durchmesser in Richtung Rumpf und plane einen kleinen Tunnel inklusive Schutzring. Der 3D-Drucker macht es möglich, diese Konstruktion über Nacht zur Realität werden zu lassen.

Immer, wenn es die Witterung zulässt – denn die Scheune, wo OH JE 2.0 gebaut wird, ist nicht vernünftig beheizbar – wird weiter gesägt, geschliffen und geleimt.
Die Beblankung geht einfacher als gedacht: immer mit kleinen Holzschrauben die Teile fixieren und mit Epoxy verkleben.
Das Schleifpapier für den Bandschleifer könnte gleich in Großgebinden gekauft werden. Den Schleifstaub sammle ich in leeren Dosen, um den Holzkitt für die entfernten Schrauben gleich selbst anrühren zu können.

Nach etwa 10 Arbeitstagen mit durchschnittlich 6 Arbeitsstunden ist die Hülle geschlossen, und es beginnen die kosmetischen Arbeiten.
Alle Löcher, Rillen und Spalten werden mit einer Mischung aus Schleifstaub und Epoxy gespachtelt und geschliffen.
Ich mische noch absichtlich etwas hellen Schleifstaub von Kieferbrettern dazu, um die dunklen Innenschichten des Okumées-Sperrholzes auszugleichen.
Die Wellenanlage und der Schraubentunnel sind ebenfalls mit Glasgewebematten einlaminiert worden.

Nach einigen Überlegungen zur Farbgestaltung bestelle ich einen Einkomponenten-Bootslack aus Hamburg (Halvar).
Die Sitzbank soll wegen der Temperatur auf der Sitzfläche in Weiß gestrichen werden; genauso wie das Unterwasserschiff.
Deswegen, damit sich, wenn OH JE an Deck gelagert wird, die darunter liegende Vorschiffkabine nicht so stark aufheizen kann.

Der Wasserpass bekommt zwei blaue Streifen.
Falls mein PC-Programm richtig gerechnet hat, ist der untere Streifen für normale Beladung, zwei Personen inkl. Eigengewicht des Dinghys vorgesehen und der zweite, obere Streifen soll die Maximalbeladung von 500 kg kennzeichnen.
Der Rest der Oberflächen soll im Holzlook bleiben und wird daher farblos lackiert. Da mein Sohn ein gelernter Maler und Anstreicher ist, hole ich ihn mir für die ersten Malerarbeiten zur Unterstützung, um die richtige Konsistenz der Verdünnung hinzubekommen.

Nachdem der komplette Rumpf mindestens dreimal gestrichen überall wurde, kann ich auch den Glasboden mit Sikaflex einkleben und verschrauben.

Nun sollte OH JE 2.0 eigentlich schwimmfähig sein, aber ich warte mit der Jungfernfahrt noch bis die Wassertemperaturen etwas steigen.
Denn man weiß ja nie, ob die Stabilität ganz anders ist als man sich das vorgestellt und entsprechend richtig umgesetzt hat.

Ein weiteres Feature ist ein 40 mm dickes Hanftau, welches die Funktion der Fender übernehmen soll.
Auf den folgenden Fotos ist dieses Tau nur mit Zwingen montiert, um die Optik noch besser abstimmen zu können bzw. um zu sehen, wie es dann final tatsächlich montiert werden soll.

Am 30.04.2020 war „es“ nun soweit: der erste Test im freien Wasser, bei wunderschönem Wetter, aber in noch kühlem Wasser.

Also soll nichts schief gehen. Zu zweit haben wir OH JE 2.0 auf den Hänger gehoben. Akku, Motor, Riemen, Ruder und Schwert sind schon am/im Boot gut verstaut und fixiert.
Unser Ziel ist das Segelzentrum Nord an der Neuen Donau.
Schuhe ausziehen und an der mittleren Slipanlage tragen wir OH JE 2.0 ins Wasser.
Juhu, JO EH 2.0 schwimmt und fällt nicht um, schaut also gar nicht so schlecht aus.

Nächster Schritt: OH JE 2.0 liegt längseits, das Fenderseil macht seine Arbeit und verhindert Kratzer im Lack.
Ich steige vorsichtig ein und bin noch immer trocken 🙂
Die Stabilität ist für die kleine Nußschale gar nicht einmal so schlecht, die überlappenden Planken und der Kielansatz erzeugen genügend Widerstand, dass das Boot nicht zu „wackelig“ wird. Ich stoße mich vom Ufer ab und rudere ein kleine Runde. Die Ruder sind ein wenig zu kurz und der Freibord zu hoch, dadurch kann man die Ruder nicht kraftvoll durchziehen. Ich verschiebe die Drehpunkte der Dollen, damit die Ruder weiter aus dem Boot kommen und der Hebel zu den Armen kleiner wird, so kann kraftvoller gerudert werden.

Genug gerudert, nun hat der Motor sein Debüt, die Riemen werden eingeholt, der Hauptschalter auf Vorwärts gestellt, zaghaft drehe ich den „Gasgriff“ bis sich der Motor langsam zum Drehen beginnt.
Super, die Kupplung funktioniert unter Last auch geräuschärmer als beim Probelauf im Trockenen. Ich steigere die Geschwindigkeit und das GPS meines Handys geht bei leichtem Gegenwind und kleinen Wellen auf 1.6 Knoten. Die Kurvenfahrt ist auch vertrauenserweckend. Bremsen und Retourfahren ist nicht so gut, da zieht die Schraube von hinten Luft und rührt nur das Wasser um, das ist aber der Preis dafür, dass die Schraube fast in den Rumpf integriert ist. Die Idee war, dass, wenn das Dinghy an Deck liegt, sich Leinen nicht so leicht in der Schraube fangen können, denn dies wäre nicht ideal, wenn bei einer Wende die Genuaschot die Schraube samt Welle aus dem Dinghy entfernen würde.

Nun wollen wir es aber wissen und ich hole noch meinen Sohn dazu.
Nun haben wir ein Gesamtgewicht von 250 kg und erreichen den unteren Wasserpass noch immer nicht. So sollten die maximalen 500 kg auch ohne Probleme funktionieren, aber das probieren wir erst bei höheren Wassertemperaturen.

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